Freitag, 15. April 2011

Statement für die Immobilienzeitung: Am Nutzer vorbei investiert


Projektentwickler und Investoren in Deutschland orientieren sich zu stark an der Immobilie und zu wenig am Nutzer. Deutschland ist ein Industrieland. Es ist geprägt vom Mittelstand und dem produzierenden Gewerbe – anders als in anderen Staaten des industrialisierten Westeuropas. Und gerade der Mittelstand ist auch einer der wesentlichen Gründe für die derzeitig robuste wirtschaftliche Erholung Deutschlands. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gehören 99,3 Prozent der deutschen Unternehmen in die Gruppe der klein- und mittelständischen Unternehmen. Fast 60 Prozent der in Deutschland beschäftigten Menschen arbeiten in diesen Unternehmen. Die Zahl neu abgeschlossener Mietverträge mit kleinen Mietflächen dominiert dadurch gegenüber großflächigen Verträgen. Zwischen 75 und 90 Prozent aller Neuverträge in den Big-5-Städten betrafen BNP Paribas zufolge Anmietungen von unter 1.000 Quadratmetern.


Dennoch fokussieren deutsche Immobilieninvestoren auf die immer gleichen Büroimmobilien in München, Frankfurt oder Düsseldorf und die nahezu identischen Nutzer – nämlich die großen unternehmensnahen Dienstleister. Dazu gehören beispielsweise Wirtschaftsprüfer, Steuer- und Unternehmensberater sowie Finanzdienstleister. Diese Nutzer sind allerdings nur für einen marginalen Anteil am gesamten Flächenmarkt in Deutschland verantwortlich. Das Gros der deutschen Wirtschaft, nämlich der Mittelstand, taucht in den Portfolios der meisten Investoren in Deutschland hingegen gar nicht auf. Diese selbst gewählte Begrenzung der Investoren auf nur wenige unterschiedliche Immobilien bedingt jedoch eine begrenzte Nutzerzahl und damit einen begrenzten Ausschnitt der Wirtschaft. Das ist in etwa so, als wenn Investoren im Deutschen Aktien Index (DAX) nur die Finanzwerte kaufen würden, den überwiegenden Rest jedoch nicht. Aktien im kleineren M-DAX würden gar nicht erst einer Prüfung unterzogen. Das kommt einem freiwillig selbstbeschränkten Markt gleich und wird dem Gebot der Mischung und Streuung von Anlagen nicht gerecht.

Der Mittelstand mietet typischerweise nicht in den 1a Lagen der deutschen Big-7-Städte, die derzeit auf dem Einkaufszettel der Investoren stehen. Der Mittelstand kann und will sich die teuren Premiumobjekte gar nicht leisten. Für mittelständische Unternehmen sind Geschäftsräume ein pragmatisches und funktionales und weniger ein emotionales Thema. Die Immobilien dienen auch nicht dazu, das eigene Image aufzupolieren. Zudem benötigen sie eben nicht nur Büroräume, sondern beispielsweise auch Forschungs-, Fertigungs- und Lagerflächen. Das kann beispielsweise ein Verlag sein, der neben Büroflächen noch ein Archiv und ein Aufnahmestudio benötigt oder der Hightech-Hersteller, der in Asien produziert in Deutschland aber noch einen Showroom und Serviceflächen braucht. In den teuren Spitzenlagen gibt es einen solch funktionalen Flächenmix allerdings kaum noch.

Viele Investoren kennen diese Bedürfnisse des Mittelstands nicht. Sie leiten ihre Investments vom Gebäude und nicht von den Nutzern ab. Zudem denken Sie eher in regionalen Kategorien. Der Investor schafft sich mit dem vermeintlich sicherheitsorientierten Investment in 1a-Lage ein Klumpenrisiko und damit das Gegenteil einer risikodiversifizierten Anlagestrategie. Ein professioneller Investor muss aber genau umgekehrt vorgehen und in eine breite Nutzerschaft investieren. Er muss analysieren, welche Flächenarten und welche Größen der Mieter braucht und daraus seine Investitionen ableiten. Denn ungenutzte Flächen erwirtschaften keine Rendite.

(veröffentlicht in der IZ vom 14.04.2011)